In welcher Beziehung stehen wir zu unsere(n) Nationalität(en)? Ist es eine Monogamie? Oder leben wir polyamorph? Leben wir in Scheidung? Ist es eine Zweckehe? Dieser Gretchenfrage stellen sich Menschen immer wieder, sei es in der Migration oder ohne jemals den Wohnort zu wechseln. Die Soziologin Nina Glick-Schiller hat sich mit der sozialen Praxis hinter dieser Frage beschäftigt und das Ganze Transnationalismus genannt. Das Wort will sagen, dass Menschen nicht allein monogam mit einer Nation verbunden leben, sondern dass sie allein aufgrund der „globalen Kapital-Arbeit-Beziehungen“ nationale Grenzen ganz alltäglich überschreiten. Sie sind also in Beziehung mit mehreren Nationalitäten, vielleicht aus Liebe oder, wie Glick-Schiller es beschreibt, wegen dem Job oder einfach nur aus Spaß daran.
Der eine migriert regelmäßig in den Sommermonaten in das Nachbarland um in der Gastronomie dort zu arbeiten, der andere stellt morgens im Büro seinen PC an um mit den Kollegen in China zu skypen. Und der nächste sitzt einfach nur zuhause und bekommt Besuch von Verwandten aus Madrid, mit dem er plötzlich nicht mehr der Deutsche, sondern der Deutsch-Spanier ist. Es entsteht ein sozialer Raum, also ein Raum in dem Menschen miteinander in Kontakt treten, der quasi zwischen und über die Nationen hinweg existiert, ein trans-nationaler Raum. In diesem Raum sind wir Bestandteil einer „transnationalen Community“, einer Gemeinschaft mit anderen „Grenzgängern“ und das sogar, wenn wir nur Kontakt zu ihnen haben ohne selbst im physischen Sinne nationale Grenzen zu überschreiten.
Der Transnationalismus ist ein Perspektivswechsel, bei dem nationale Identitäten sekundär werden und die gelebte Alltagspraxis in den Vordergrund gestellt wird. Das Nette daran: diese Nationalität teilen wir alle miteinander, jeder auf seine Weise. Denn wir alle leben im Kontakt, in Beziehung zu unserer Umwelt.
Nina Glick-Schiller et al (1992): Towards a Transnational Perspective on Migration: Race, Class, Ethnicity, and Nationalism Reconsidered.