Woraus setzt sich ein Leben zusammen? Mit welchen Bestandteilen füllen wir unsere Zeit? Was tun wir mit Überzeugung und Sicherheit und wo überschreiten wir die Grenzen des guten Gewissens? „Ora et labora!“ – „Bete und arbeite!“ lautet ein Leitspruch der christlichen Kirche, wie die Lebenszeit bestenfalls gefüllt werden solle. Die stetige Arbeit im Inneren und im Äußeren, das Denken und Gestalten, das Sinnieren über die Spiritualität und die Konzentration auf das handwerkliche Tun sind die zwei Pole, denen der schaffende Mensch (der „homo faber“) nachgehen soll.
Eine andere Beobachtung machte der niederländische Historiker Johan Huizinga. Er definierte den Menschen als einen homo ludens, einen spielenden Menschen. Das Spiel ist für ihn das „Nicht-Ernste“ bei dem Freiheit möglich wird, die nicht dem sonstigen „Ernst des Lebens“ entspricht. Anders als der auf Leistung und Funktion ausgerichtete homo faber gehe der Mensch als homo ludens einem Tun nach, das keinen Zweck erfüllt über das Tun hinaus. Der französische Schriftsteller und Anthropologe George Bataille erklärte, dass das Spiel seinen Sinn in sich selbst findet. Es gehe beim Spielen nicht darum, auf etwas „hin zu spielen“, sondern nur um das Gefühl des Erlebens während des Spiels. Huizinga beschrieb dies als „Entzückung und Berauschung“, die in „Enthusiasmus und Ekstase“ übergehe.
In unserer Leistungsgesellschaft, in dem selbst das Freizeitverhalten ein stetiges Selbstoptimieren oder Grübeln bleibt, scheint wenig Raum für den homo ludens. Wer etwas tut, einfach nur weil es Spaß macht, weil es schön ist oder weil es der eigenen Lust entspricht, fällt schnell in ein Muster der Rechtfertigung. Wir „gönnen“ uns „kleine Sünden“, die wir hinter vorgehaltener Hand „verüben“. Schließlich finden wir uns in einer Spirale wieder aus Anstrengung und schlechtem Gewissen für Entlastung oder Hingabe. Huizinga würde möglicherweise vorschlagen, wir sollten uns weniger an „Ora et labora!“ ausrichten, sondern an „Lude et labora!“. Spiele und Arbeite. Mach Nützliches und dann etwas aus Freude.
Johan Huizinga (1934): „Das Spielelement der Kultur.“