Als Tabu werden in der Regel Dinge, Orte, Personen oder Handlungen bezeichnet, mit denen der Kontakt „verboten“ ist. Dieses Verbot kann juristisch gültig sein oder nur sozial, also durch die Regeln der Gruppe bestehen. Der Professor für bürgerliches Recht Stefan Haack bezeichnet das Tabu als etwas, bei dem „kulturelle `Selbstverständlichkeit´ und geltende `Rechtsordnung´“ miteinander assoziiert werden. Wenn jemand ein Tabu bricht, zum Beispiel durch eine Nazi-Parole oder dem Nacktsein in der Öffentlichkeit, wird sein Verhalten als „nicht angemessen“ bewertet. So ganz legal scheint sein Handeln nicht – egal ob er damit auch Gesetze gebrochen hat.
Seinen Ursprung hat das Wort in Raum Polynesiens, unter anderem in Neuseeland, wo es die indigene Bevölkerung (die Maori) verwendet um etwas Heiliges zu beschreiben, das auch gefährlich ist und nicht entweiht werden darf. Der „Uluru“ (oder auch Ayers Rock genannt) ist so ein Ort, den die Maori als tabu bezeichnen. Der große rote Berg ist für sie heilig, da nach ihrem Glauben dort mächtige transzendente, also übernatürliche Wesen leben. Deshalb darf er nur von religiösen Experten für ausgewählte Rituale betreten werden. Wer dennoch unbefugt den „Uluru“ betritt, muss im Glauben der Maori mit schlimmen (spirituellen) Konsequenzen rechnen.
Nach seinen Forschungen in Polynesien brachte der englische Ethnologe Robert Ranulph Marett 1909 eben dieses Wort „tabu“ nach Europa, zusammen mit dem Ausdruck „mana“. Er versuchte sich damit an einer Religionsdefinition, die er als die tabu-mana-Formel bezeichnete. Dies sei der negative und der positive Modus von übernatürlicher Macht, von „Heiligkeit“. Tabu übersetzte er aus dem polynesischen mit „etwas, dem man sich nicht leichtfertig annähern darf“ und mana mit „etwas mit wunder-bewirkender Macht“.
Ein Tabu ist also keine naturgegebene Sache, sondern vielmehr ein Suchhinweis. Es ist dort zu finden, wo für Menschen etwas wichtig und wertvoll – quasi heilig ist. „Von Tabus kann gesprochen werden, um das zu schützen und zu stabilisieren, was man als Grundlage der eigenen Gesellschaft anerkennt […]“. Bevor wir uns also das nächste Mal ärgern, wenn jemand unsere gute Idee geklaut hat, oder wenn wir böse Blicke für die Jogginghose im Theater einfangen, können wir etwas über uns und unsere Gesellschaftsräume lernen und uns fragen: Mit welchem „sozialen Heiligtum“ habe ich es hier gerade zu tun?
Marett, Robert Ranulph (1909): „The tabu-mana formula as a minimum definition of religion“ in: Archiv für Religionswissenschaft, Band 12, S-186-194.
Haacke, Stefan (2011): Verfassungshorizont und Taburaum, in: Archiv des öffentlichen Rechts 136, S. 365-401.
Fateh-Moghadam, Bijan et al (2015): Säkulare Tabus. Die Begründung von Unverfügbarkeit. Berlin, Matthes & Seitz, S. 15.