Das funktioniert so wie die anderen Gegenteil-Paare: Das da ist draußen, daher weiß ich jetzt: das da ist drinnen. Dieser da gehört nicht dazu, er ist fremd. Daher weiß ich jetzt, wer zugehörig ist. Oder mit den Worten von Zygmunt Baumann: „Um das Innen wirklich schätzen zu können, muss es ein Außen geben.“ Um eine „Ingroup“ zu haben, um nicht zu sagen zu erfinden, muss zunächst eine „Outgroup“ benannt, beziehungsweise erfunden werden.
Diese Taktik ist übrigens ein offenes Geheimnis der Geschichte. Wie oft haben Machtinhaber zu dem Mittel gegriffen, eine Gruppe von Personen als die „Gegner“, die „Bedrohung“, die „Achse des Bösen“ etc. zu benennen, um auf diese Weise eine Gruppe in ihrer Identität zu bestärken, ja zu erfinden? Wie oft haben wir dieses Vorgehen selbst beobachten können, vom Kindergarten bis ins Altersheim, in Lern- und Arbeitsräumen, in Politik- und Religionsgruppen?
Julia Reuter nennt das eine Identitätsstrategie: jemand der Dinge anders angeht als die eigene Gruppe, wird stigmatisiert zur Wiederherstellung der eigenen Welt; um nicht die eigene Vorgehensweise infrage stellen zu müssen. Dieses Vorgehen ist sozusagen ein Klassiker der Sozialstrategien um ein Team zu formieren, es macht ein Verhältnis klar, ein „Ordnung“, oder mit Julia Reuters Worten „die Ordnung des Anderen“. Durch die Definition von Fremdheit oder den Fremden werden die Dinge, die Welt, die Gesellschaft sortiert.
Zygmunt Baumann in (und) Julia Reuter (2010) „Die Ordnung des Anderen“, Bielefeld, transcript, S. 23 – 48.