Über unsere manipulative Beziehung zu Dingen
Wie werden wir, wer wir sind? Durch die Dinge, mit denen wir leben. Der Soziologe Bruno Latour, der sich mit „Interobjektivität“ befasste, hat auf die Beziehung zwischen Menschen und Dingen hingewiesen. Sein Credo lautet: wer wir sind wird zum großen Teil dadurch bestimmt, in welcher Beziehung wir zu Gegenständlichem stehen. Die Dinge (heute sagen wir „Materialität“) bestimmen, wie wir handeln, einfach dadurch, dass sie vorgeben wie sie zu benutzen sind (mit Handschuhen, nur sitzend, mit geschlossenen Augen, durch lautes Sprechen) oder dadurch, dass sie schlichtweg existieren in unserem Leben (das Gartentor, der Zebrastreifen, das Laufband an der Kasse).
Dabei werden diese „Dinge“ verstanden als alles, was wir sehen, hören, spüren, schmecken, fühlen können, was wir sinnlich wahrnehmen. Achtung, jetzt kommts! Diese Dinge haben uns außerdem zu dem gemacht, wie wir jetzt sind. Wie wir in der Welt existieren. Sie haben unsere Sinne so geschult hat, wie sie jetzt funktionieren. Diese Materialität, das sind die Filter auf den Instagram-Bildern, die unsere Art des Sehens verändert haben, der Klingelton von WhatsApp, der unsere Hörgewohnheit geschult hat, der Zimt in Plätzchen, der unsere Geschmacksnerven trainiert hat oder die raue Oberfläche von Asphalt, die unser Gefühl für den Boden der Städte erzeugt hat.
Bruno Latour (1996): On Intersubjectivity.