Wer wir sind, das zeigt sich zum großen Anteil an dem was wir tun: dem sozialen Handeln. Was wir kaufen, wie wir arbeiten, mit wem wir sprechen, welche Partner wir wählen etc.
Um die Freiheit dieses Handeln wird ein anhaltender Streit geführt. Die einen sagen: Was ein Mensch macht, sein Handeln, das ist nicht bewusst oder freiwillig, sondern so gelernt und festgelegt durch Erziehung, Kultur und Diskurs. Ihnen wird vorgeworfen, sie sehen nicht die Eigen-Leistung der Menschen. Die anderen sagen: Das Handeln der Menschen ist frei und sinnvoll, es ist rational so entschieden wordenn und erfüllt einen Zweck, zum Beispiel die eigene Lebenslage zu verbessern oder das Wohl einer Gruppe. Ihnen wird vorgeworfen, idealisiert zu denken, eigene Wünsche und Bewertungen in das Handeln anderer reinzulesen.
Der Kultur- und Sozialwissenschaftler Jo Reichertz (Uni Duisburg, em.) schlägt folgende Beurteilung vor: Das Subjekt ist ein Produkt der Gesellschaft, es ist „sozial geschaffen“. Teil dieser, unserer derzeitigen sozialen Schöpfung ist, dass der Mensch (einiger Gesellschaften) wählen darf, wie er handelt. „Wählen zu können, ja wählen zu müssen gehört dieser Zeit zu seiner Subjekthaftigkeit, macht seine historische Besonderheit aus.“
In anderen Worten: Das wir frei sind, ist eine Wahl, die wir nicht selbst getroffen haben und die historisch gesehen, recht ungewöhnlich ist. Reichertz ist übrigens der Meinung, dass diese Form des Subjektes bereits der Vergangenheit angehört. Da frage ich mich, was wohl als nächstes kommt…
Jo Reichertz (2010) in Griese „Subjekt – Identität – Person?“: Das sinnhaft handelnde Subjekt als historisch gewachsene Formation des Menschen, S. 46